Anna Sommer

Anna Sommer
Anna Sommer
© Anita Affentranger

In Anna Sommers Arbeiten ist nichts ganz so, wie es zu sein scheint. Ob Comics, Illustrationen oder künstlerische Arbeiten, ob Federzeichnungen, Radierungen oder Papierschnitte – durch ihre Arbeit ziehen sich subtile Risse. Inhaltlich sucht sie gerne die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge, Schein und Sein auf. Formal arbeitet sie mit vielen, sehr unterschiedlichen Techniken. Diese ästhetische Vielfalt und inhaltlichen Ambivalenzen machen ihre Arbeit überraschend, reich und spannungsvoll.

Eigentlich hatte die 1968 in Aarau geborene Anna Sommer nicht im Sinn, Comics zu zeichnen. Andererseits aber betrachtete sie das Zeichnen immer als Mittel zum Erzählen. Deshalb war es folgerichtig, dass sich ihre Zeichnungen zu Geschichten verbanden. Das war vor etwa 30 Jahren, ihr Debüt „Damen Dramen“, eine Sammlung von wortlosen, feministisch angehauchten Kurzgeschichten, erschien 1996 und mauserte sich zum Erfolg in Europas unabhängiger Comic-Szene. Bis heute ist Anna Sommer in Frankreich erfolgreicher als in Deutschland.

Anna Sommers Stil unterläuft viele Comic-Klischees: Die Panels stehen nicht in Rahmen, sondern frei auf dem Papier. Der Fluss von einer Zeichnung zur nächsten verleiht, gepaart mit ihrem eleganten Federstrich, ihren Bildergeschichten eine unwiderstehliche Leichtigkeit. Außerdem arbeitet Sommer gerne mit ungewöhnlichen Techniken – am auffälligsten ist der Papierschnitt, der ihren Erfolg als Illustratorin begründet hat. Auch ihre aktuelle Graphic Novel „Tinte“ besteht aus ebenso subtilen wie beeindruckenden, aus Papier geschnittenen Bildern. Anna Sommer erzählt immer Geschichten, auch als Illustratorin oder Künstlerin. Die Frauen etwa, die sie im prächtigen Bildband „Chambre d'amies“ porträtiert, inszeniert sie in Posen und Situationen, in denen das Vor- und Nachher mitschwingt – und damit ihre Geschichte.

Seit 30 Jahren unterläuft Anna Sommer alle Zuweisungen und Einschränkungen und spielt mit unseren Erwartungen. Die Spannung zwischen den verschiedenen Ebenen ihrer Geschichten, zwischen Erzählweisen, Stilen und Techniken ist gleichbedeutend mit künstlerischer Meisterschaft und raffinierter Unterhaltung. 

Christian Gasser